Donnerstag, 22. Dezember 2005
Wenn das stimmt, bereitet zumindest ein EU-Kommissar derzeit eine Richtlinie vor, die de facto zur Abschaltung des Internets führen wird.
Nicht, dass ich das Urheberrecht als schlecht betrachten würde - ganz im Gegenteil, beschützt es doch auch die freie Software auch davor, dass einzelne ihr die Freiheit wieder entziehen. Dennoch wird hier einer heiligen Kuh, dem Urheberrecht, der Fortschritt der Menschen in Europa geopfert. Das darf nicht sein.
Wollen wir denn wirklich allen unseren technologischen Vorsprung gegenüber anderen Regionen der Welt - soweit er überhaupt noch existiert - gleich entsorgen, nur um einigen wenigen den Hals zu stopfen, der ohnehin nie voll wird? Da stellt sich mir wirklich die Frage, wer denn überhaupt noch von solchen Regelungen profittieren kann:
- Die Hörer und Leser?
- Die müßen in Zukunft also mehr Geld für die aufwendiger zu entwickelnde Software und HIFI-Hardware ausgeben. Dafür wird ihnen versprochen, dass die Datenträger in Zukunft billiger werden, weil ja weniger kopiert werden kann. Aber was von diesem Versprechen wird tatsächlich ankommen?
- Die reine Produktion der Datenträger wird nur geringfügig billiger, wegen der größeren Stückzahlen. Dafür muss jetzt der Datenträger mit einem teuren DRM-System ausgestattet sein. Da aber die Plattenfirmen und Verlage - weil sie nunmal Firmen sind und Gewinn machen wollen - noch stärker als bisher die Musiker und Autoren nach marktgerechter Stromlinienform aussuchen und aussieben, weil deren Abhängigkeit von den Konzernen steigt, wie ich unten noch darlegen werde.
- So wird also das Angebot kleiner, der Konkurrenzdruck sinkt. Wie jeder Wirtschaftswissenschaftler sofort erkennen wird führt das zu einer SItuation, in der die Preise eher steigen als fallen.
- Kein Hörer oder Leser kann also damit rechnen, dass seine Datenträger billiger werden. Er wird nur weniger Auswahl zu vermutlich höheren Preisen bekommen.
- Die Autoren und Musiker?
- Die Abhänigkeit der Musiker und Autoren von den Plattenfirmen und Verlagen ist jetzt schon sehr groß. Das wird bisher dadurch ausgeglichen, dass auch die Frimen von ihren Musikern und Autoren abhängen. Gerade bei erfolgreichen Musikern und Autoren steht zumindest theoretisch immer die Drohung im Raum, dass der jeweilige auch selber einen Verlag bzw. eine Plattenfirma gründen könnte. Die weniger erfolgreichen können auch zu kleineren Konkurrenten wechseln, die oft in Nieschenmärkten um einiges erfolgreicher arbeiten können als die Großen.
- Welchen Vorteil hätten also Musiker und Autoren von einer solchen Regelung? Die Firma, mit der man sich gerade überworfen hat, hätte die bereits produzierten Titel voll in der Hand und könnte faktisch die Nutzung des Urheberrechts durch den Autor bzw. den Musiker aushebeln.
- Wird der Autor bzw. der Musiker sich überhaupt so leicht mit seiner bisherigen Firma überwerfen? Welche Möglichkeiten hat er, zu einem anderen Unternehmen zu wechseln, das seinen Vorstellungen eher gerecht wird?
- Durch die entstehende hohe Markteintrittsschwelle (Kosten für ein DRM-System, notwendige größere Stückzahlen um Konkurrenzfähigkeit herzustellen, etc.) wird er nicht gerade dazu neigen, selbst eine Plattenfirma bzw. einen Verlag zu gründen. Das gleiche gilt aber auch für die kleinen Konkurrenten. Die werden einfach nicht mehr in der gleichen Zahl entstehen und folglich eher weniger werden, da auch die bestehenden neue Hürden zum Überleben überwinden müssen.
- Der Autor bzw. Musiker hat also weniger Auswahl zwischen möglichen Firmen und lebt folglich in einer größeren Abhängigkeit sin seinem bisherigen Verlag bzw. seiner bisherigen Plattenfirma.
- Die Verwertungsgesellschaften?
- Die beiden obigen Punkte zeigen deutlich, dass es weniger Autoren und Musiker geben wird, die auch veröffentlicht werden.Auf der anderen Seite wird der Datenträger für den Kunden eher teurer, was viele Kunden damit beantworten werden, dass sie wenigernachfragen werden - das Budget ist nun mal in den meisten Fammilien begrenzt.
- Da die Verwertungsgesellschaften ihre Macht und ihren Anspruch auf der Zahl der in ihnen organisierten Urheber begründen, werden sie an EInfluss verlieren. Im Extremfall könnte ihre Existenzberechtigung in Frage gestellt werden.
- Auf der anderen Seite steht eine geringere Nachfrage durch die Kunden. Sie werden entweder auf die Werke der Musiker und AUtoren verzichten, oder dazu übergehen, diese noch öfter wiederholt zu konsumieren. Beides senkt die Einkünfte der Verwertungsgesellschaften.
- Wie man also sieht bringt diese Richtlinie den Verwertungsgesellschaften auch nur Nachteile.
- Die Verlage und Plattenfirmen?
- Dann müssten ja doch die Plattenfirmen und Verlage davon profitieren, oder? Hier gibt es sehr unteschiedliche SItuationen. Einerseits müssen die Firmen also in DRM-Systeme investieren, andererseits erreichen sie eine stärkere Abhängigkeit der Autoren und Musiker. Welche Firma kann also einen Vorteil aus dieser Situation ziehen? Diejenige, die
- die Ausgaben für das DRM-System refinanzieren können. Entweder können sie das, indem sie ihren Autoren und Musikern weniger bezahlen, oder indem sie die Preise ihrer Produkte erhöhen. Die meisten werden sich für einen Zwischenweg entscheiden.
- das Nachfolgende Massensterben in ihrer Brange überleben. Das werden einerseits diejenigen sein, die schon beim Punkt 1 sich richtig entschieden haben, davon aber nur die, die möglichst viel beim Kunden holen. Das liegt daran, dass der Kunde nicht nach dem Preis zwischen einer Bruckner Aufname mit dem NDR-Sinfonieorchester und einem aktuellen Pop-Song entscheidet. Der Preis fürht höchstens zu der Entscheidung gar nichts zu kaufen. Da der Preis für die Kaufentscheidung nur eine Nebenrolle spielt, setzen sich die durch, die den Künstlern die besten Konditionen bieten.
Ab dann ist aber der Künstler in der Abhängigkeit gefangen, weil ihm seine Wechselmöglichkeiten wegbrechen. Dann wird sein Verlag bzw. seine Plattenfirma auch an ihm sparen um die wegbrechenden Umsätze wegen der erhöhten Preise zu kompensieren.
Was bleibt also? Diejenigen Verlage und Plattenfirmen, die sich besonders durch erpresserische Geschäftspraktiken hervortun und an den vermeintlichen Mainstream angepasste “Künstler”, die sich nicht mehr trauen, etwas wirklich neues zu machen. Dem Kunden bleibt eine schlechtere Qualität der Waren, die ihm für einen höheren Preis angeboten werden. Mir ist bis jetzt noch nicht klar geworden, was davon nun wirklich erstrebenswert sein könnte, zumal sich die gesammte Argumentation auch für selbständige Softwareentwickler durchführen lässt. Da dann auch noch der Austausch an Informationen behindert wird, ist der Fortschritt in Europa in Gefahr.
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