Samstag, 3. Februar 2007
Gestern hat der Internationale Wissenschaftsrat zum Klimawandel seinen neuen Bericht vorgestellt. Wie zu erwarten war,überschlägt sich die Presse mit Meldungen dazu. Manche tun sich auch mit Vorschlägen hervor, die ich mal etwas genauer unter die Lupe nehmen möchte.
Nick Reimer von der taz fragt “ist die Welt noch zu retten” und stellt “neun unpopuläre, aber unausweichliche Schritte” vor, “um diesem Planeten eine Chance zu geben”
- Lieber Herr Reimer, auch wenn Sie es sich nicht vorstellen könnt,
der Planet hat alle Chancen und weiter kein großes Problem. Das Problem
haben wir, die wir auf und von diesem Planeten leben. Es ist also nicht
nötig, dem Planeten eine Chance zu geben, wir müssen zusehen, dass wir
unsere Überlebenschancen erhalten.
- Ihre Thesen sind hochinteressant, wenn auch sehr unrealistisch:
- "Schluss mit dem Selbstbetrug: die Deutschen müssen bekennen,
üble Klimasünder zu sein" - mea culpa mea maxima culpa und was ist
jetzt gewonnen? Ein Problem lässt sich nicht lösen, indem man dafür
sorgt, dass sich jemand schuldig fühlt - auch nicht, wenn er wirklich
schuld ist.
- “Wer Kohlendioxid produziert soll kräftig zahlen” Gute Idee,
leider nicht gut argumentiert. SIe zeigen zwar das Problem auf, aber
keine Lösung. Um es besser zu machen hier ein konstruktiver Vorschlag:
Der Staat schüttet an alle Bürger pro Kopf handelbare
Verschmutzungsrechte aus, die mit der Zeit ihren Wert verlieren.
Braucht ein Indutriebetrieb dann solche Verschmutzungsrechte, muss er
sie kaufen. Da die Rechte verfallen, hat niemand einen Vorteil davon
sie zu bunkern. Also werden die Privatleute ihre überschüssigen
Verschmutzungsrechte auch an die Industriebetriebe verkaufen. Das Ganze
reguliert sich dann deshalb von selber, weil Politiker, die ja dann die
Höhe der Ausschüttung festlegen müssen, einerseits wollen, dass die
eigenen Wähler da eine gute Einnahmequelle haben, andererseits die
einheimische Wirtschaft entlasten.
- "Der Umweltminister gehört entlassen, der Wirtschaftsminister
sowieso" Toll, und der neue Klimaminister kommt dann nicht aus der
gleichen abgeschliffenen Clique? Der Klimaminister nimmt dann plötzlich
die nicht mehr zu leugnenden Realitäten wahr? Das alles nur, weil er
einen neu geschaffenen Titel trägt? Schadstoff- und CO2-arme Autos
erreichen Sie auch mit steuerlichen Anreizen. Das hat ja mit dem
Kathalysator auch hervorragend geklappt, warum sollte es nicht auch
beim CO2-Ausstoß funktionieren?
- “Braunkohlekraftwerke gehören abgeschaltet, Atomkraftwerke eh”
Und was dann? Wo kommt dann morgen der Strom her - ach ja, aus den
dezentralen, kleinen Kraftwerken, die dann bis übermorgen gebaut sein
werden. So funktioniert das nicht. Wenn, dann müssen wir es schaffen,
eine dezentrale Energieversorgung aufzubauen, und während dessen
schrittweise die zentralen Großkraftwerke abschalten.
- "Ob die Welt gerettet wird, entscheidet jeder selbst - indem er
den Stromanbieter wechselt" Dem erste Teil der Überschrift stimme ich
voll zu, aber der Weg ist, das eigene Haus zu dem Kraftwerk umzubauen,
das es sein kann:
- Wer am fließenden Wasser lebt, kann sich ums Wasserrecht kümmern und ein Wasserrad in den Fluss halten.
- Wo es sich geologisch lohnt, kann man Erdwärme fördern
- Fast überall kann man Solarzellen und Kollektoren auf das Dach bauen
- Wer einen größeren Garten hat, kann damit eine kleinere Biogasanlage befüttern
- Auf dem Land gibt es immer noch viele Stellen, wo man auch kleinere Windkraftwerke bauen kann
- Zu jedem Kraftwerk sollte ein Energiepeicher gehören um
Schwankungen gleich vor Ort auszugleichen - das kann ein großer Akku
sein, oder ein Warmwasserkessel, oder natürlich auch andere Varianten.
- Jedes Haus kann sich dann mit den Nachbarn direkt vernetzen um eventuelle lokale Ausfälle überbrücken zu können
- “Fleischessen gehört verboten” Die Tiere produzieren ja Treibhausgase - ich weiß sogar welches. Das ist vor allem schlicht
und einfach Methan. Das Problem lässt sich sehr einfach durch den
Einsatz von Biogasanlagen lösen. Die Hauptquellen für das Methan aus
der Tierhaltung sind der Mist und die Gülle. Beides sind gute
Grundstoffe für Biogasanlagen und das CO2, das bei der Verbrennung des Biogases freigesetzt wird,
war vorher in den Pflanzen gespeichert, die das Tier gegessen hat. Also
handelt es sich um einen regenerativen CO2 Ausstoß. Die gleiche Menge
CO2 wird zur gleichen Zeit wieder in neu nachwachsendem Futter
gespeichert.
- “Jeder muss mindestens einen Baum pflanzen” Wie süß! Es tut mir
ja schrecklich leid, dass in meine Wohnung kein Baum passt und mit
meinem erwiesenermaßen unterentwickeltem grünen Daumen habe ich auch
schon so mancher Pflanze das Leben gekostet. Das mit dem Bäume pflanzen
überlasse ich lieber den Förstern. Wenn die genug Fläche für ihren Wald
haben, werden sie gerne auf dieser Fläche auch Bäume anpflanzen.
- "Fliegen wird künftig nicht mehr erlaubt. Wenn es wirklich
einmal sein muss, dann nur mit Atmosfair-Anteil" Ich finde die Idee von
Atmosfair ja richtig gut - vor allem als Geschäftsidee. Als
potentieller Kunde ist das aber nicht so prickelnd, weil ich bestenfalls auf die Zusagen von Atmosfair angewiesen bin - überprüfen kann ich nicht, was wirklich mit dem Geld gemacht wird. Ich halte es für
sinnvoller, regeneratives Kerosin zu produzieren. Ich weiß nicht, ob es
da schon etwas gibt, aber grundsätzlich müsste sich das aus Biomasse
herstellen lassen.
- "Alle Bundestagsabgeordneten müssen konkret klimapolitische
Verantwortung übernehmen" Ja, alle Bundestagsabgeordneten müssen konkret
Verantwortung für alle politischen Bereiche übernehmen, aber das
passiert so lange nicht, so lange sie trotzdem wiedergewählt werden.
Auch hier liegt die Verantwortung beim Wähler, der allerdings auch
wirklich in vielen Bereichen nur die Wahl zwischen Pest ind Cholera hat.
Auch die “Readers Edition” widmet sich in einem Kommentar dem Thema Klimaschutz und Energiewirtschaft. Uwe Dorniß stellt hier
Anforderungen an die künftige Energieversorgung, die ich nicht
unbeantwortet lassen kann:
- “Die Energieerzeugung muss CO2 frei sein” Nein, die
Energieerzeugung darf aber nicht mehr CO2 und andere Treibhausgase
freisetzen, als auf der anderen Seite wieder gebunden wird. Wenn Holz
verbrennt wird natürlich CO2 frei, wenn aber gleichzeitig genug Holz
nachwächst um genau diese Menge an CO2 zu speichern, ist das kein
Problem.
- “Umweltfreindlich (keine Abfälle)” Jeder chemische Prozess hat
Produkte, die erst mal als Abfälle anfallen. Die Frage ist ja, was man
nun mit diesen Abfällen anfängt. Kann man aus ihnen wieder neue
Rohstoffe gewinnen, oder sind sie verloren? Wie das Beispiel mit
den Bäumen zeigt, ist der Zusammenhang manchmal gar nicht so
offentsichtlich.
- “Naturkreisläufe dürfen nicht beeinflusst werden” Das ist
natürlich Unfug. Alles was wir tun, hat auf die Natur einen Einfluss.
Das hängt damit zusammen, dass wir Teil der Natur sind. Es geht eher
darum, selber Kreisläufe zuschaffen, bzw. sich dei Kreisläufe der Natur
zu nutze zu machen, wie es die Menschen ja auch jahrhundertelang
gemacht haben.
- "Sie muss über einen langen Zeitraum verfügbar sein und keine
Abhängigkeiten erzeugen" Das klingt nach alle dem, was immer wieder
gefordert wird: Sonne, Wind, Erdwärme, Wasserkraft, Biomasse, etc. Alle
diese Energiequellen sind über einen langen Zeitraum verfügbar und
erzeugen keine Abhängigkeiten. Nur sind einige auch starken
Schwankungen unterworfen. Man muss also in Energiespeichertechnik
investieren.
- "Die erzeugte Energie sollte zu 100% über das vorhandene
Versorgungsnetz zum Verbraucher gebracht werden und dort mit geringsten
Verlusten zu zu Wärme, Strom und Mobilität umgewandelt werden" Wie wäre
es, wenn die Energie gleich beim Verbraucher vor Ort geerntet wird,
statt sie verlustreich über hunderte von Kilometern zu transportieren?
Das geht für elektrische und thermische Energie. Bei kinetischer
Energie ist es etwas schwieriger, aber viele Tankstellen verkaufen ja
jetzt schon regenerativ hergestellten Treibstoff, also scheint dafür ja
ein funktionierendes Verteilsystem zu existieren.
- "Die Netzregelung muss ohne Regel-, Ersatz- und Blindleistung
auskommen" Das ist, mit Verlaub, utopisch. Selbst in dem oben
skizziertenb System, in dem jedes Haus sein eigenes Kraftwerk ist und
zur Absicherung mir den Nachbarn vernetzt wird, braucht die Regelung
dieser Absicherung einen gewissen Anteil der zur Verfügung stehenden
Energie. Das ist aber kein großes Problem, weil jedes Haus sehr viel
mehr Energie produzieren kann, als es braucht und folglich meistens
einen Energieüberschuss hat. Dieser kann übrigens dann über dieses
Nachbarschaftsnetz auch zu Großverbrauchern geliefert werden, die
selber nicht genug Energie produzieren können.
- “Wettbewerb im Netz” Da komme ich wieder zu meinem Modell zurück:
Es gibt da keinen Netzbetreiber, sondern nur Betreiber einzelner
Leitungen. Das sind im Zweifel die beiden betroffenen Nachbarn. Wenn
wir also so viele Netzbetreiber wie Paare aus benachbarten Häusern in
Deutschland haben, sollte das für genug Wettbewerb sorgen.
- “Preisgünstige Energie” Das ist natürlich eine Frage, auf welche
Energiequelle der betreffende Hauseigentümer setzt und wie gut er seine
Anlage warten lässt. Das Charmante daran ist aber, dass er an eventuell hohen
Energiepreisen selber schuld ist. Wer also genau überlegt, in welche
Energiequelle er investiert und wieviel er für die Wartung ausgibt,
kann sehr preiswert wegkommen.
Das von Ihnen, Herr Dorniß vorgeschlagene Projekt “DESERTEC” erfüllt nicht nur
Ihre Anforderungen nicht (insbesondere die Forderungen 2, 4 und 6), sie
ist auch einem System unterlegen, das weniger auf alte
Verteilstrukturen und zetnralistische Produktion setzt.
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