Alle Jahre wieder, wird eine neue Steuersau durchs deutsche Dorf getrieben. Immer mal wieder fällt ein mehr oder minder prominenter Mitbürger dadurch auf, dass seine Tricks zur Reduktion seiner Steuerlast den Boden des offiziell legalen verlassen haben. Dabei werden die üblichen Mechanismen der Empörungsindustrie angeworfen, wie wir sie auch von anderen Skandalen und “Skandalen” kennen. Aber ist die Frage “wie zwingen wir alle dazu, viele Steuern zu zahlen” wirklich die richtige Frage?
Wozu zahlen wir Steuern? Na klar, damit die Dinge, die wir auf demokratischem Weg beschließen, auch gemeinsam bezahlt werden. Das ist also für sich genommen nichts schlechtes. Warum versuchen Menschen, dem zu entgehen? Weil es menschlich ist, jeder versucht seine Belastung zu minimieren und seinen Nutzen zu maximieren. Auch das ist für sich genommen weder juristisch verboten, noch moralisch verwerflich. Es gibt eine Grenze, bei der es dann juristisch nicht mehr erlaubt ist, aber ist das auch die moralische Grenze? Ist unsere Steuergesetzgebung moralisch?
Handelt ein Staat moralisch, wenn er die Belastung der Arbeitnehmer verschleiert, wie es durch die sogenannten “Arbeitgeberanteile” geschieht? Natürlich muss für die Arbeitgeberanteile der Arbeitnehmer arbeiten - sie werden nur auf seinem Lohnzettel nicht ausgewiesen. Handelt ein Staat gerecht, wenn er mit seinen Steuern und Abgaben Menschen mit durchschnittlichem Einkommen mehr als 60% ihrer Leistung abnimmt? Warum geht es in anderen Staaten mit wesentlich geringeren Belastungen? Warum gibt es in der OECD nur noch zwei andere Staaten mit einer höheren Belastung der durchschnittlichen Einkommen als Deutschland (Frankreich und Belgien) - wenn man die “Arbeitgeberanteile” als das rechnet, was sie sind: ein Teil des Bruttoeinkommens?
Würde man der Steuerehrlichkeit nicht leichter nachhelfen, wenn man den Vorteil, den ein Steuerzahler von Tricksereien und Betrügereien haben kann dadurch reduziert, dass die Mögliche Einsparung niedriger ausfällt? Das ginge mit weniger Sondertatbeständen und gleichzeitig niedrigeren Steuersätzen. Natürlich gibt es immer eine Grenze beim Einkommen, oberhalb derer sich Steuerbetrug lohnt. Nur kann man sie auf diese Weise sehr weit nach oben schieben, so dass nur noch sehr wenige Menschen überhaupt darüber liegen. Statt dessen setzen wir auf Überwachung (Aufhebung des Bankgeheimnisses), Repression und die Unterstützung kriminellen Verhaltens im Ausland (Geheimnisverrat ist nicht nur in der Schweiz eine Straftat). Spätestens hier handelt der Staat nicht mehr gerecht. Er verrät seine eigenen Rechtsvorstellungen, sobald es jenseits der eigenen Grenzen geschieht. Rechtsstaatlich kann es dafür keine Rechtfertigung geben, jede Rechtfertigung, die ich dafür gehört habe, basiert auf einem Obrigkeitsstaatsverständnis. Nein, der Staat hat nicht jedes Recht, seine Gesetze mit aller Gewalt durchzusetzen! Es gibt eine Grenze bei den Grundrechten, aus denen das Bundesverfassungsgericht auch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung hergeleitet hat.
Ich denke, dass der aktuell eingeschlagene Weg zum Scheitern verurteilt ist. Repression führt nur zu noch stärkerem Ausweichverhalten. Wer kann wird noch verlogener den ach so ehrlichen Tributpflichtigen spielen und noch verschlagener zu betrügen versuchen. Nur die Ehrlichen, die verlieren ihre Freiheit, weil auch ihre Konten überwacht werden. So wie jede Überwachung das Verhalten verändert, so ist es auch mit der Überwachung der Konten. Je stärker und rücksichtsloser auf Repression gesetzt wird, desto leichter kann ein ehrlicher Bürger durch einen Fehler in diese Mühlen geraten und um so schwerer kommt er wieder raus.
Wir sollten möglichst bald wieder da hin kommen, dass der Staat immer die Ehrlichkeit seiner Bürger annimmt und nur bei begründetem Verdacht weitere Nachforschungen anstellen darf. Die Unschuldsvermutung muss auch für Steuerzahler gelten. Natürlich lässt sich das nur durchhalten, wenn auch die Steuersätze nicht so exorbitant hoch sind, dass es sich schon für Menschen mit wenig mehr als dem durchschnittlichen Einkommen lohnt, ihr Geld in verschleierte Kanäle zu leiten.